Sonntag, 25. November 2007

Das Bad


Das Bad läßt sich sowohl in der Ausformung des Dampf- bzw. Schwitzbades als auch des Wannenbades während des gesamten Mittelalter nachweisen. Die hochstehende Badekultur der Spätantike setzt sich allerdings nur in beschränktem Maße fort. Übernahmen lassen sich vor allem im byzantinischen Raum und von dort ausstrahlend in arabisch-islamischen Bereichen und deren Einflußsphären sowie zum Teil in den Oberschichten Ost-Europas erkennen. Auch die überlieferten frühen Klosterbäder sind als Bindeglied zwischen spätantiker und mittelalterliche Badekultur anzusehen. Der St. Galler Klosterplan von 820/830 sieht Baderäume für Mönche, Schüler, Kranke und Diener des Abtes vor. Die ältesten Quellen zum Badewesen der Germanen bieten keine Belege für eigene Badegebäude. Erst die Lex Baiuvariorum des 8. Jahrhunderts nennt den balnearius neben pistoria und coquina als selbständigen Kleinbau der Hofanlage. Die in der Lex Alemannorum genannte stuba läßt sich dagegen weder auf Grund des Begriffes noch nach dem Textzusammenhang eindeutig als Baderaum identifizieren. Bekannteste Quelle für das frühe slav. Dampfbad ist der - häufig fälschlich dem Ibrahim ibn Ja'qub zugeschriebene - Bericht des arabischen Geographen al-Mas'udi aus der ersten Hälfte des 10. Jh. Ähnliche Mitteilungen finden sich in der Schilderung des Ibn Rosteh aus dem gleichen Zeitraum sowie in jener der um 1100 entstandenen Andreas-Legende der Nestor-Chronik. Nordost und Ost-Europa, Skandinavien sowie die Ost-Alpen und ihr Vorland sind als älteste bestehende Tradierungsgebiete des ma. Dampfbades in der Form privater ländliche Haus- oder Hofbadestuben zu erschließen; eine Verbindung zu spätantiken Ausformungen ist nicht zu erkennen Eine rasche und allgemeine Verbreitung des Badewesens erfolgt ab dem 12. Jahrhundert in Einklang mit der Entwicklung der Stadtkultur. Als öffentliche, gewerbliche betriebene Institution in der Stadt erhält die Badestube im Spätmittelalter größte Bedeutung. Grund für diese Ausbreitung ist wohl das Vorbild bestehender Privatbadestuben der geistl. und adligen Oberschicht sowie jenes der Hofbadestube. Der Einfluß der Kreuzzüge und der expandierenden Handelsbeziehungen ist ebenfalls anzuerkennen. Die Übertragung öffentliche Badestuben auf das Land (vor allem in Oberdeutschland, Österreich und der Schweiz) erfolgt nach städtische Vorbild. Ab der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert setzt ein allgemeiner Niedergang ein, für den unter anderem moralische Gründe, auftretender Holzmangel und darauf zurückzuführende Preissteigerungen, die wachsende Beliebtheit von Badereisen zu naturwarmen Quellen, ärztl. Bedenken gegen übermäßigen Besuch sowie die Ansteckungsgefahr durch das Aufkommen der Syphilis verantwortlich sind.





Der Standort öffentliche Badestuben wird durch mehrere Faktoren bestimmt; Feuersgefahr, großer Wasserbedarf und leichte Erreichbarkeit spielen dabei die entscheidende Rolle. Die Kenntnis von Aussehen und Ausgestaltung des mittelalterlichen Bades stützt sich vor allem auf das Bild, auf Ordnungen, Reisebeschreibungen und literarischen Quellen. Hervorzuheben sind besonders Schilderungen in der mittelhochdeutschen Dichtung, wie z. B. im »Wälschen Gast« (1216), im »Schwank vom blôzen keiser« des Herrand von Wildon (um 1260) und im sogenannten Seifried Helbling (Ende 13. Jh.). Die bildliche Darstellung setzt hauptsächlich ab dem 14. Jahrhunderts ein. Dabei steht allerdings meist das Badeleben an sich und dessen erotische Seite im Mittelpunkt, während Bau und Ausstattung des Bades zurücktreten. Zwei Abbildungen in der Göttinger Bellifortis-Hs. (Kyeser, Conrad) vermitteln dagegen recht klar zeitgenössische Überlegungen zur Verbesserung von Heizanlagen und Dampfzufuhr im Bad des Spätmittelalters. Die überlieferten Angaben und Beschreibungen von Badestuben lassen das Dampfbad als vorherrschende Form erkennen, das Wannenbad tritt zwar sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich allein oder in Verbindung mit dem Dampfbad auf, spielt jedoch die untergeordnetere Rolle. Besser eingerichtete Badestuben besaßen ohne Zweifel einen Raum zum Ablegen der Kleidung und mitunter auch einen Ruheraum. Die eigentliche Badestube beherbergt Ofen, Steine, die zur Dampferzeugung mit Wasser übergossen werden, gestufte Bänke, Wannen bzw. Kufen für das Wasserbad sowie verschiedene andere Wassergefäße.





Die in der Forschung oft angenommene ursprünglich Bedeutung »Dampfbad« des Begriffes »Stube« ist kaum aufrechtzuerhalten. Vielmehr ist »Stube« als Baderaum nur eine unter mehreren Spezifizierungen der Wortbedeutung. Im norddeutschen Bereich bezeichnet mittellateinische stupa, norddeutsche stove die Badestube, während in Ober- und Mitteldeutschland »Stube« Wohnraum bedeutet und der Baderaum als badstube auftritt. Dem entspricht der Begriff badstofa für die Badestube in Skandinavien. In den slavischen Sprachen wird die Badestube mit Wörtern slavischen Stammes bezeichnet. In England ist ab dem 14. Jahrhunderts stove, stew sowohl als Bade- wie auch als Wohnraumbenennung überliefert. Im Französischen findet sich ab dem 13. Jh. estuve als Bezeichnung des Dampfbades. Badewesen, Taufe.





G. Jaritz (LEXMA1 1331-1333)

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