Im Herbst 1073 bezeichnete sich Heinrich IV. in einem Brief an Gregor VII. als rex Romanorum und bekundete so seinen Anspruch auf das Kaisertum. Gregor reagierte seit März 1075 indirekt, indem er Heinrich als rex Teutonicus, dessen Reich als regnum Teutonicum bezeichnete und dabei ausdrückl. feststellte, daß kein regnum dem König eines anderen Reiches untertan sein dürfe. Das mußte sich auch gegen die Hoheit des »deutschen« Kaiser über Italien und Burgund richten. Gregors Versuch, den »deutschen« Königs auf den Status der anderen Herrscher herabzuwürdigen, ist zwar fehlgeschlagen, dennoch hatten seine Angriffe weitreichende Konsequenzen: 1. Seit Heinrich V. bezeichneten sich die noch nicht zum Kaiser. gekrönten »deutschen« K.e stets als rex Romanorum ('römischer König'). Damit wurde die Grenze zwischen Kaisertum und Königtum auch in der Titulatur verwischt. 2. Das Wahlrecht, dessen Vorrang vor dem Erbrecht Rudolf von Rheinfelden 1077 explizit anerkannt hatte, wurde nachdrücklich in Erinnerung gerufen und 1125 gegen die als Erben der Salier auftretenden Staufer zur Geltung gebracht. 3. Gregor hat die Basis für den später förmlich erhobenen Anspruch auf Approbation von Wahl und Person des römischen Kaisers gelegt. 4. Die sakrale, theokratische Würde des Königtums wurde durch Absetzung und Bann sowie durch dessen Lösung in Canossa in ihrem Kern tangiert, auch wenn die Salbung den Königs weiterhin über die anderen Laien emporhob.
Die Verwischung der Grenze zwischen Kaisertum und Königtum, wie sie im Titel des »rex Romanorum« zum Ausdruck kam, ist offenbar nur selten als Problem erkannt oder auch nur empfunden worden. Die Volkssprache unterschied nicht zwischen regnum und imperium, sondern hatte nur ein Wort für beides: das rîche. Im Latein gab es zwar den Terminus regnum Teutonicum, aber das war entweder (bis um die Mitte des 12. Jh.) ein Äquivalent für den Begriff des traditionellen regnum Francorum oder aber die Bezeichnung für einen geogorianischen Sachverhalt. Allerdings sah man von außen her einen Unterschied zwischen dem Königtum der Deutschen und dem römischen Kaisertum. So hat man seit dem Interregnum vor allem im Umkreis der Anjou die These propagiert, nur ein in Rom gekrönter oder ein vom Papst approbierter König könne in Burgund oder Italien Herrschaftsrechte ausüben, eine Einschränkung, die im 14. Jahrhundert auch auf Lothringen und die deutschen Gebiete des Reiches Anwendung finden sollte. Nach der kaiserlosen Zeit von Friedrichs II. Tod bis zum Ende Albrechts I. hat Heinrich VII. die Existenz solcher Lehren als einen der Gründe für seinen Romzug genannt. Brisant wurde das Problem des Unterschieds zwischen Kaisertum und Königtum unter Ludwig der Bayern und Johannes XXII. Der Papst hat dem von ihm nicht approbierten gewählten römischen König generell die Ausübung seiner Herrschaft, das heißt auch über die deutschen Lande, untersagt. Unter dem Druck der von Ludwig mobilisierten öffentliche Meinung haben die Kurfürsten im sogenanntem Weistum des Rhenser Kurvereins deklariert, daß der einmütig oder mit Mehrheit zum römischen König Gewählte sich den königlichen Titel aneignen und die Güter und Rechte des Reiches (imperii) verwalten könne (16. Juli 1338). Das Licet iuris (6. Aug. 1338) konstatierte, daß jemand, der von den Wählern des Reiches (ab electoribus imperii) - einmütig
oder mehrheitlich - zum Kaiser oder König gewählt wurde, allein aufgrund dieser Wahl König oder Kaiser der Römer sei. Neuerdings hat man diese Bemühungen um eine Klärung des Problems in die Formel fassen wollen: so wie der König von Frankreich imperator in regno suo sein wollte, so sollte jetzt der Kaiser als deutscher Herrscher rex in imperio suo sein. Eine solche Deutung wird der Komplexität des Sachverhalts nicht gerecht: Eine räuml. oder institutionelle Einschränkung des römischen Königtums war mit den Deklarationen von 1338 nicht beabsichtigt, und Ludwig der Bayer datierte nicht nur das Licet iuris sowohl nach Kaisers - als auch nach Kaiserjahren, widersprach somit im Grunde seiner eigenen Deklaration. Die Grenze zwischen Königtum und Kaisertum blieb auch weiterhin unscharf, was den römischen Königen die Ausübung von spezifisch kaiserlichen Rechten ermöglichte (Restitution Ehrloser, Legitimation Unehelicher, Notarsernennungen etc.). Sigmund hat als römischen König als Schirmvogt des Konstanzer Konzils agiert; wenn ihm dabei das anfangs in Anspruch genommene Recht auf Mitsprache in den nichtgerm. Konzilsnationen verwehrt wurde, so lag das nicht daran, daß er noch nicht zum Kaiser gekrönt worden war. Maximilian hat 1508 ohne Ks.krönung den Titel eines erwählten römischen Kaisers angenommen, wobei er die Einschränkung (erwählt) mit dem Respekt vor dem Papst erklärte. Welche Konsequenzen eine mehrfach ins Auge gefaßte oder befürchtete Translatio imperii auf ein anderes Volk für das Königtum der Deutschen gehabt hätte, scheint man nie ernsthaft diskutiert zu haben. Im Umkreis König Roberts von Neapel hat man um 1313 dafür plädiert, in Zukunft nicht einmal einen König der Deutschen zu approbieren.
H. Thomas (LEXMA5 1306-1309)
(Fortsetzung folgt)
Sonntag, 4. November 2007
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